Wir gehörten mit zu den ersten Bewohnern eines Bonner Neubaugebietes. Ich war 5 und fand keine Spielkameraden in meinem Alter. Was tun gegen die drohende Langeweile? Eigentlich sind Erwachsene kein passender Umgang für kleine Kinder, jedoch brachte mich mein früh ausgeprägter Einfallsreichtum auf eine grandiose Idee, die schnell übergangsweise meine Lieblingsbeschäftigung entstehen ließ. Sobald sich irgendwo in der Siedlung neues Leben zeigte, flitzte ich los, ich musste doch meiner selbst gestellten neuen Aufgabe gerecht werden: Neuankömmlinge in Empfang zu nehmen und sie als erfahrene „Altbewohnerin“ über ihre neue Umgebung aufzuklären, als da wären Straßen- und Ortsnamen, wer schon wo wohnte, wo die einschlägigen Supermärkte waren, wann die Müllabfuhr kam und so weiter. Der Informationsgipfel wurde natürlich mit dem Hinweis erklommen, wo ich wohnte und bei Bedarf zu finden wäre. In kürzester Zeit war ich in der Siedlung bekannt wie der berühmte bunte Hund, fand überall offene Türen und bald, als Krönung meiner Bemühungen, vier Freundinnen – die alle Christiane hießen.
Heyoka Dötzchen Geschichten
Kinder gehen auf unterschiedlichste Art und Weise mit Langeweile um. Hier Kostproben meiner kindlichen Kreativität.
Heyoka lässt grüßen!
Die kleine Umzugshelferin
Die kleine Krankenschwester
Es gab eine kurze Zeit, in der meine ältere Schwester bereits zur Schule ging, meine Mutter regelmäßig ein paar Wochenstunden im nicht weit entfernten Wirtschaftsministerium arbeitete und meine Oma zuhause auf den kleinen unruhigen Geist aufpassen sollte. Ich liebte meine Oma, die sich geduldigst mit mir beschäftigte, heiß und innig, was jedoch nicht verhindern konnte, dass ich mir auch mal spannendere Unternehmungen wünschte als mich von ihr bespaßen zu lassen. Die zündende Idee war, mal einfach meiner Mutter bei der Arbeit einen Besuch abzustatten, allein, in einem Ministerium. So zog ich nach entwaffnender Argumentation unbegleitet los, bewaffnet mit einer Dose Kaffeepulver. Dem Wachpersonal erklärte ich voller Ernsthaftigkeit, dass meine Mutter diesen Kaffee dringendst für ihre Gesundheit benötigte und sie Bescheid wüsste. Amüsiert schickten mich die Herren weiter und überließen mich meinem Schicksal. Es bedurfte vieler Stationen im Haus mit vielen Erklärungen bei entweder genervten oder belustigten Bediensteten, bis ich schließlich in einem imposanten Raum landete – im Vorzimmer von Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard. Die Vorzimmerdame war begeistert von meiner medizinischen Fürsorge. Sie erreichte dann auch meine Mutter, die daraufhin zum Minister gerufen wurde. Später musste ich feststellen, dass sie meine anfängliche Begeisterung in keinster Weise teilte, was mich aber nicht daran hinderte, mit einer ähnlichen Strategie und ausgestattet mit einem angeblich vergessenen Heft, meiner Schwester in der Schule einen „Besuch“ abzustatten und als Belohnung dafür eine Stunde lang am Unterricht teilnehmen zu dürfen.
Die kleine Animateurin
Endlich war es so weit. Auch ich durfte – jetzt ganz offiziell – in die Schule gehen. Bald machte aber selbst ich die Erfahrung, dass sich irgendwann der täglich gleiche Trott einschleicht. Was tun? Die alten Strategien hatten ausgedient. Es musste etwas Neues her, etwas ganz Anderes. In einer Pause war es dann soweit. Irgendwie gelang es mir, meinen Schulfreund Edgar dazu zu überreden, doch mal die Rollen zu tauschen: er – ich, ich – er. Zunächst mussten wir dazu die Kleider tauschen und testeten, als Generalprobe, das Ergebnis in der jeweils anderen Toilette. Die verdutzten Blicke der Mitschüler ließen uns schon da vor Lachen die Bäuche halten. Premiere war dann aber der Auftritt in der Klasse, wo wir wie selbstverständlich den Platz des anderen einnahmen. Eine Riesengaudi, alle – inklusive Lehrerin – hatten ihren Spaß, Gag gelungen.
Heyoka hatte gegrüßt.